Teil I der Linzer Bürgermeisterwahl ist geschlagen, das Ergebnis überraschte lediglich in der Höhe. Ganz anders als hoch war jedoch die Wahlbeteiligung von 42,2 Prozent. Was geht in den Köpfen der Linzerinnen und Linzer vor, wenn sie in so großer Zahl nicht mal das Wahlrecht in Anspruch nehmen? Angesichts der vielen Emotionen rund um den Luger-Abgang und anderer Vorfälle in der Linzer Stadtpolitik hätte es eigentlich eine nordkoreanisch hohe Rekordbeteiligung von mindestes 103 Prozent geben müssen. Alleine: Diese Wahl-Unlust – oder sollte man es einfach Faulheit nennen – ist inakzeptabel. Unser Kommentar der Woche.
Unfassbar: Knapp 90.000 der 151.668 wahlberechtigten Linzer gingen nicht zur Wahl, sie waren sogar zu „geschaftig“, online eine Wahlkarte zu beantragen. Das Ganze auf die allseits grassierende und auch nachvollziehbare Polit-Müdigkeit zu schieben, ist zu billig. Sieben Kandidaten standen zur Auswahl, darunter auch völlig andere Entwürfe als die herkömmlichen vier Großparteien. Da war eigentlich alles abgedeckt und für jeden was dabei – inklusive Veränderung, aber auch ein „Weiter so“ für alle, die offensichtlich eh zufrieden sind. Dennoch war es fast 90.000 Mitbürgern zu mühsam oder zu unwichtig, wählen zu gehen.
Eine der großen Aufgaben der Politik muss es sein, diese Wahl- und Politverdrossenheit zu bekämpfen statt mit dem Moto „Augen zu und durch“ nur auf die eigene Macht zu schielen.
Das Nichtwähler-Phänomen greift freilich nicht nur in Linz um sich, obwohl es hier am 12. Jänner ganz besonders wütete. Ein fiktiver Kandidat der LNP (Linzer Nichtwähler-Partei) hätte bereits gestern im ersten Wahlgang mit 57,8 Prozent die absolute Mehrheit geholt, Dietmar Prammer wäre bei einer 100-prozentigen Wahlbeteiligung mit 16,9 Prozent aller Stimmen abgeschlagener Zweiter geworden, für Michael Raml haben gar nur 8,5 Prozent aller potenziellen Wähler gestimmt.
In zwei Wochen wird es möglicherweise noch deftiger kommen: 2021 holte Klaus Luger bei der Stichwahl 32.703 Stimmen – oder nur 21,4 Prozent aller möglicher Wählerstimmen – und er regierte trotzdem (rechtmäßig) wie ein Kaiser. Von einer „Absoluten“ ist das allerdings meilenweit entfernt. Und der Sinn einer Stichwahl kann es unter dem Strich ja auch nicht sein, dass man mit etwas mehr als 20 Prozent der möglichen Stimmen quasi mit 100 Prozent der Macht des Bürgermeisteramts ausgestattet wird.
Eine der großen Aufgaben der Politik muss es sein, diese Wahl- und Politverdrossenheit zu bekämpfen statt mit dem Motto „Augen zu und durch“ nur auf die eigene Macht zu schielen. Vielleicht bekommt Linz ja bei der Stichwahl in zwei Wochen den Hintern hoch und setzt ein Zeichen: entweder in der Form, dass Dietmar Prammer als neuer Linzer Bürgermeister mit einem ordentlichen Wählerauftrag in die zweieinhalb Jahre seiner Amtszeit starten kann oder dass es einen starken Auftrag an Raml gibt. Eins schönes Zeichen für die Demokratie wäre ein geschlossener Aufruf aller Kandidaten, am 26. Jänner wählen zu gehen – aber das wird’s nicht spielen, weil es möglicherweise einem selber nicht nützt.