Als Verkehrsweg wird die Donau nach wie vor noch kaum in Anspruch genommen. Erst zu zehn Prozent wird die Kapazität genutzt. Warum also den Fluss nicht zur Fahrt ins Büro nutzen – ganz ohne Kolonnen, Stress und Drängeln? LINZA!-Chefredakteur Wilhelm Holzleitner machte die Probe aufs Exempel: An einem Montagmorgen pendelte er von Puchenau in die Linzer City. Mit der Luftmatratze – oder besser gesagt einem aufblasbaren Sessel…
Auf Puchenau reimt sich nicht umsonst „Stau“. Jeden Morgen geht‘s Richtung Linz oft nur im Kriechgang dahin. Nur wenige Meter daneben fließt ruhig, unaufgeregt und gemächlich die Donau Richtung Landeshauptstadt. Dort ist von regem Verkehr – abgesehen von dem einen oder anderem Kreuzfahrtsschiff oder Schubkahn – kaum was zu sehen. Ideen, die bis zu 13,7 km/h flotte Donau als Verkehrsweg für Pendler zu nutzen, gab es des öfteren. Der Einsatz von Passagier-Pendelschiffen – zwischen Ottensheim und Linz – wurde aber nie ernstlich in Erwägung gezogen. Also höchste Zeit für eine lobenswerte Privatinitiative: Mit einer um 9,90 Euro beim lokalen Spar erworbenen Luftmatratze – äh, Luftsessel – mache ich ein kleines Ein-Mann-Transportunternehmen auf. Ziel: mein 5,5 Kilometer stromabwärts gelegener Arbeitsplatz im Linzer Zentrum.
Red Bull für den Fall der Fälle
Um Punkt 07:30 Uhr marschiere die 50 Meter zur Schotterbank an der Donau. Die unter dem Arm eingezwickte Luftmatratze habe ich bereits am Vorabend mit purem Leben in Form von Atemluft gefüllt. Wegen der bereits frühmorgens sengenden Sonne begleiten mich ein Schlapphut und – als Stärkung – eine Dose Red Bull. Das Zeug verleiht angeblich Flügel – kein schlechter Gedanke, wenn man beim geplanten Vorhaben stets die Titanic-Geschichte im Kopf hat.
Knapp 20 Grad hat die Donau in diesem Sommer, das Wasser präsentiert sich aufgrund der raren Niederschläge graugrün und fast klar. Nach wenigen Metern auf der Schotterbank ist das Wasser tief genug, um in See zu stechen. Mit beherztem Handbetrieb lasse ich das Ufer flott hinter mir. Bereits nach ein paar Minuten trägt mich die Strömung hunderte Meter Richtung Linz. Überraschend schnell erreiche ich die Strommitte. Hier ist die hohe Fließgeschwindigkeit kaum wahrnehmbar.
Was besonders beeindruckt: die Einsamkeit mitten auf dem mächtigen Strom. Und die absolute Ruhe. Nur etwas Autolärm ist vom Linzer Ufer zu hören, wo die Eferdinger Pendler Richtung Linz rollen.
07:55 Uhr: Ich passiere Linz-St.Margarethen. Hier habe ich endlich Sicht auf die Rohrbacher Bundesstraße auf der Urfahraner Donauseite. Auf den zwei Fahrspuren staut‘s gewaltig. Davon spüre ich hier mitten auf der Donau nichts. Lediglich eine lästige Bremse verfolgt mich seit einigen Minuten. Davonlaufen ist nicht. Ich wehre mich mit wildem Herumgespritze, das irgendwann Wirkung zeigt, das widerliche Stechgetier gibt Fersengeld. Auch von den angeblich bis zu 2,5 Meter großen, berüchtigten Donauwallern lässt sich keiner blicken. Die Riesenfische sollen, so die Legende, schon mal Enten oder badende Hunde verschlungen haben. Warum also auch nicht eine Luftmatratze samt 90kg Auflage?
Kreuzfahrtschiffe als „natürliche Feinde“
Die größten Feinde des Luftmatratzen-Pendlers sind aber weder surrende Stechmücken noch wilde Welse, sondern Schleppkähne und große Kreuzfahrtsschiffe. Warum ich das erwähne? Weil hinter mir plötzlich die 124 Meter lange „Arosa Mia“ auftaucht, ein stolzes, weißes Prachtschiff. Und ich mitten in der Fahrrinne! Uh, jetzt heißt es mächtig paddeln. Hier kurz vor Linz macht die Donau einen leichten Linksknick. Ich nutze die Strömung aus und rudere mit olympiaverdächtiger Frequenz Richtung rechtes Donauufer. Ehe die Arosa Mia auf Tuchfühlung ist, bin ich aus der Gefahrenzone. Ein an der Reling stehendes Crewmitglied „grüßt“ mich trotzdem mit dem Stinkefinger. Naja, nicht unbedingt die feine Art, wie ich sie aus der Serie „Das Traumschiff“ kenne. Soll der bloß mal froh sein, dass ich untermotorisiert bin und daher von einer Verfolgung absehe. Stilsicher salutiere ich zurück und strebe weiter auf Linz zu.
Kurz darauf kommt die Nibelungenbrücke ins Blickfeld. Rechts von mir speit der Römerbergtunnel eine nicht endenwollende Autokolonne aus. Nein, tauschen will ich mit den Automobilisten nicht, obwohl ich mir noch keine Gedanken gemacht habe, wie ich nach der Arbeit wieder nach Hause komme – ohne Auto, ohne Radl, aber mit Luftmatratze.
„Bilderbuchlandung“ beim Lentos
Ich entscheide mich, die Nibelungenbrücke neben der rechten Stütze zu passieren. Nur wenige Meter lasse ich mich an dem dicht mit Wasserpflanzen bewachsenen Granitpfeiler vorbeitreiben. Auf der Brücke steht ein alter Mann, um mir zuzuwinken. Oder zeigt er mir auch irgendeinen garstigen Finger? Egal, ich konzentriere mich auf die Engstelle vor mir. „Pass auf die Wasserwirbel hinter der Brücke auf!“ ruft der Greis herunter. Ich halte genug Abstand und umschiffe die Stromschnellen hinter dem Pfeiler professionell.
Jetzt heißt es nochmal aufpassen und das Anlegemanöver einleiten. Zwischen parkenden Kreuzfahrtschiffen strande ich nach 54 Minuten beim Lentos. Die (aus unerfindlichen Gründen nicht anwesenden) Medien hätten anderntags von einer „Bilderbuchlandung“ zu berichten gewusst.
Fazit: Die Nahverkehrskonzepte müssen nach diesem feuchten Trip wohl nicht umgeschrieben werden. Auch ist künftig nicht mit Luftmatratzenstaus zu rechnen. Es war vielleicht nur ein kleiner Schritt für den Menschen. Aber ein riesengroßer für die noch junge Geschichte der Luftmatratzenfahrt.