Es tut sich was in der Innenstadt. Jüngstes Beispiel, mehr Aufenthaltsqualität in die City zu bringen, ist die Umgestaltung der Domgasse. Ein Innenstadtkonzept soll weitere Maßnahmen auf den Weg bringen. Im LINZA-Talk: Martin Hajart, der als Antreiber des Projekts gilt.
Derzeit wird ein Konzept zur Belebung der Innenstadt ausgearbeitet. Was erwarten Sie sich davon?
Dass wir festlegen, wie die Innenstadt der Zukunft aussehen soll, was wir dafür brauchen und wie wir dorthin kommen. Wir müssen die Balance zwischen Wirtschaft, Verkehr, Aufenthaltsqualität und Attraktivität finden. Dafür bedarf es verschiedenster Maßnahmen, die man aber nur mit Zusammenarbeit verschiedener Ressorts erreicht. Das muss, neben der Zielvorgabe, das vorrangige Ziel sein. Und es darf nicht bei der Erstellung eines Konzeptes bleiben, sondern wir müssen dieses auch sukzessive umsetzen. Dafür braucht es die notwendigen personellen und budgetären Mittel. Linz ist attraktiv, steht gut da – hat aber noch viel Potenzial. Das wollen wir heben.
„Leerstände sind nicht gottgegeben und müssen nicht einfach so hingenommen werden, dagegen kann und muss man aktiv vorgehen.“
Stichwort Leerstand: Muss man sich nicht langsam, aber sicher nicht einfach damit abfinden, dass die klassische Einkaufsstraße mit überall denselben Shops kein Zukunftsmodell mehr ist?
Eine Einkaufsstraße lebt von der Vielfalt des Angebots. Die Innenstadt der Zukunft bietet Geschäfte, Gastronomie genauso wie Zonen ohne Konsumzwang, dafür mit Aufenthaltsqualität. In diese Richtung muss sich Linz weiterentwickeln, dafür brauchen wir aber auch eine eigene Organisation, die die Innenstadt weiterentwickelt. Leerstände sind nicht gottgegeben und müssen nicht einfach so hingenommen werden, dagegen kann und muss man aktiv vorgehen. Da ist bisher viel zu wenig passiert.
Was unterscheidet die Linzer Landstraße etwa von der Grazer Herrengasse oder der MaHü in Wien – hat sie einen besonderen USP?
Das ist das Problem, der USP ist im Lauf der vergangenen Jahre sukzessive zurückgegangen. Die eigentümergeführten Geschäfte sind konstant weniger geworden. Da gilt es beispielsweise, den Hebel anzusetzen, etwa durch spezielle Anschubförderungen. Dazu muss man das Angebot erweitern, sei es durch Implementierung von Augmented Reality, sprich der virtuellen Erweiterung der Realität um interaktive Elemente, oder anderen attraktiven Elementen. Es muss für Kunden attraktiv sein, in die Stadt zu kommen, dann wird sich die Innenstadt auch weiterentwickeln. Auch in diesem Bereich kann die Stadt die richtigen Anstöße geben.
Wie sieht die Landstraße der Zukunft aus – sagen wir im Jahr 2040?
Die Landstraße der Zukunft bietet Einkaufserlebnis, Gastronomie und auch Zonen zum Verweilen ohne Konsumzwang. Sie ist attraktiv für Einheimische, die ihre Einkäufe zwischenparken können, um noch einen Kaffee oder Ähnliches zu genießen. Und sie ist interessant für Touristen, weil wir Dinge anbieten, die es woanders nicht gibt. Ich denke da beispielsweise an eine Tour durch die Innenstadt mit dem eigenen Handy, das bei jedem historischen Gebäude die interessante Geschichte aufzeigt. Das wäre eine Anwendung für AR. Ein anderes Beispiel wären Schließfächer, in denen die Kunden ihre Einkäufe zwischenparken können. Dort könnte man auch Kinderbetreuung anbieten.
„Klar ist: So nebenbei geht Stadtmarketing bzw. Stadtmanagement nicht.“
Wirtschaftsreferent und Bürgermeister Klaus Luger wird nicht müde, zu betonen, wie gut die Innenstadt aufgrund ihres hohen Vermietungsgrades dastehen würde. Hat er recht?
Teilweise, aber der Teil wird zusehends kleiner. Deshalb müssen wir rasch aktiv werden und gewissen Entwicklungen entgegenwirken bzw. vorbeugen. Als Beispiel sei die südliche Landstraße genannt – hier müssen wir rasch aktiv werden. Etwa beim Volksgarten, der aus meiner Sicht umstrukturiert werden muss. Es braucht auch rasch die Sanierung des Busbahnhofs, wodurch sich weitere Chancen ergeben.
Das vor zwei Jahren gegründete City Management hätte sich um die Belebung der Innenstadt kümmern sollen, herausgekommen ist wenig. Wie lautet Ihr Conclusio zu diesem Projekt?
Grundsätzlich war die Idee gut, Linz braucht ein Stadtmarketing. Deshalb ist es unbedingt erforderlich, nun rasch Schritte in diese Richtung zu setzen. Alles beim Alten zu lassen, ist das falsche Signal. Allerdings sollte man vielleicht bei der Personalauswahl und den damit verbundenen Zielvorgaben anders vorgehen.
Braucht es tatsächlich ständig so sperrige Konstrukte wie eine eigene Gesellschaft mit noch mehr heißer Luft?
Wie die Organisation heißt oder das Konstrukt aussieht, ist zweitrangig. Primär ist es notwendig, dass eine Struktur schlank und schlagkräftig ist, sodass der Weg vom Konzept oder der Idee bis zur Umsetzung kurz ist. Dafür ist es aber notwendig, dass auch die Kommunikationswege zwischen den Handelnden kurz und direkt sind. Klar ist: So nebenbei geht Stadtmarketing bzw. Stadtmanagement nicht.
„Wir brauchen Geschäfte, mit denen wir uns klar von anderen Städten unterscheiden – sprich, neben großen Ketten auch kleinere Boutiquen oder Ähnliches.“
Was fehlt Ihrer Meinung nach in der Linzer Innenstadt?
Zuerst muss man klar sagen: Die Linzer Innenstadt wird oft schlechter geredet, als sie ist. In vielen Bereichen funktioniert sie, allerdings müssen wir darauf achten, nicht die Verwandlung zu versäumen, um auch in Zukunft attraktiv zu bleiben. Deshalb ist es wichtig, dass die entscheidenden Player zusammenarbeiten, da sehe ich Verbesserungspotenzial. Genauso bei den Zielvorgaben, was man wo tatsächlich will, auch da haben wir Aufholbedarf. Und wir brauchen Geschäfte, mit denen wir uns klar von anderen Städten unterscheiden – sprich, neben großen Ketten auch kleinere Boutiquen oder Ähnliches.
Das Mitglied der städtebaulichen Kommission, Architekt und Stadtplaner Andreas Kleboth sagt sinngemäß, man müsse sich nur ein Beispiel an der PlusCity nehmen. Dort denkt man jeden Tag darüber nach, was man tun muss, damit die Menschen gerne in die PlusCity kommen. Kann Linz von diesem Einkaufstempel etwas lernen?
Man kann viel lernen – teils wie es geht, aber auch, worauf man verzichten kann. Was auf alle Fälle stimmt ist, dass wir auch jemanden brauchen, dessen Hauptaufgabe es ist, Linz als Wirtschaftsstandort attraktiv zu halten und zukunftsfit zu machen. Das geht nicht nebenbei.
„Eine Innenstadt rein auf Gastronomie aufzubauen, wäre ein falsches Signal. Wir brauchen eine gesunde Mischung aus Handel, Gastronomie und Freizeitangeboten.“
Apropos PlusCity: Besitzer Ernst Kirchmayr hat ja auch mit dem Schillerpark-Komplex große Pläne. Würde eine „Mini-PlusCity“ die südliche Landstraße retten? Am Beispiel Lentia City und Hauptstraße Urfahr sieht man, dass auch genau das Gegenteil passieren kann.
Das Areal rund um den Schillerpark hat Potenzial, das derzeit nicht genutzt wird. Man muss auch hier entscheiden, was man will und dann gesamtheitlich planen. Das bedeutet, dass man auch die Verkehrsströme gleich mitbedenkt und nicht erst im Nachhinein draufkommt: „Oh, da fahren ja dann mehr Autos…“ Auch hier muss man zusammenarbeiten und darf kein Stückwerk verrichten. Ob ein Einkaufscenter die alleinige Lösung ist, bezweifle ich. Es braucht auch hier einen Mix.
In der PlusCity sieht man, dass der Anteil der Gastronomie immer mehr zunimmt und der klassische Handel bestenfalls stagniert. Wäre das auch ein Zukunftsmodell für Linz?
Eine Innenstadt rein auf Gastronomie aufzubauen, wäre ein falsches Signal. Wir brauchen eine gesunde Mischung aus Handel, Gastronomie und Freizeitangeboten. Da sollte man auch „out of the box“, wie es so schön heißt, denken. Warum beispielsweise nicht die Kunst- oder Bruckneruni miteinbinden? In der Domgasse funktioniert das sehr gut.
„Die Initiative von der Domgasse beispielgebend sein. Aber man kann keine Schablone drüberlegen und sagen: Das machen wir jetzt überall.“
Mit der Domgasse wurde vor einigen Wochen ein vielbeachtetes Verkehrsberuhigungs- und Lebensqualitätsprojekt umgesetzt. Gibt es schon erste Feedbacks?
Das Feedback ist überwiegend positiv, erste Verkehrszählungen haben gezeigt, dass der Autoverkehr abnimmt und dafür mehr Fußgänger unterwegs sind. Das zeigt: Es entwickelt sich. Und der Prozess ist ja auch noch nicht abgeschlossen.
Das Projekt zeigte vor allem, dass es keine langwierigen Konzepte oder Unsummen benötigt, um die Innenstadt zu transformieren. Wird einfach zu wenige probiert, experimentiert und umgesetzt?
Man kann nicht überall experimentieren, aber in manchen Bereichen ginge es schon leichter. Grundsätzlich ist wichtig, dass man weiß, wo man hin will – und dann auch versucht, möglichst rasch dorthin zu kommen.
Hat Linz das Potenzial für weitere Domgassen und Herrenstraßen?
Ja, definitiv. Wir schauen uns das gerade auch an. Ich bin etwa dafür, dass nach Abschluss der Arbeiten beim ehemaligen Betten-Reiter-Haus in der Landstraße man gleich dazu übergehen soll, den öffentlichen Raum zu attraktivieren. Dabei kann die Initiative von der Domgasse beispielgebend sein. Aber man kann keine Schablone drüberlegen und sagen: Das machen wir jetzt überall. Es braucht individuelle Lösungen, die dann funktionieren und Linz attraktiver machen.