Die meisten Menschen unter 30 Jahren haben noch nie eine benutzt: Telefonzellen. In OÖ gibt es noch etwa 950 Stück, alleine in den letzten zwei Jahren verschwanden rund 30 Prozent. Nach der Änderung des Telekommunikationsgesetzes im Vorjahr hat die Telekom keine Verpflichtung mehr, Telefonzellen flächendeckend zu betreiben. Einige davon sollen künftig zu Mini-Paketstationen umgewandelt werden, u.a. soll Linz diesbezüglich als Vorreiter fungieren. Und das ist wohl dringend nötig: In der Halbjahresbilanz weist die Post im Bereich Paket/Logiitk ein Plus von 9,9 Prozent auf.
Bei der Post will man bis 2028 etwa 1.000 kaum noch genutzte Telefonzellen zu Paket-Stationen umbauen. Bereits heuer sollen die ersten Zellen umgebaut werden – die Pilotprojekte starten in Linz und im Bezirk Gänserndorf. Um die 20 Standorte sind in Linz im Gespräch – u.a. am Hessenplatz, in der Altenberger Straße und im Linzer Süden.
Bereits bisher wurde die Zahl der sog. „Empfangsboxen“, die oftmals in Stiegenhäusern installiert werden, auf etw 70.000 hinaufgeschraubt, Tendenz stark steigend.
120 Jahre Telefonzelle
Im August 1903 wurde Österreichs erste Telefonzelle am Wiener Südbahnhof errichtet, die Zahl wuchs bis in die 1980er-Jahre auf 30.000 Stück. Ende 2021 waren es noch 11.000, mittlerweile sind es nur noch 7.700, davon rund 950 in Oberösterreich. Grund ist der Siegeszug des Handys, der ab Anfang der 1990er-Jahre einsetzte. Kids und Jugendliche kennen diese Einrichtung gar nicht mehr. Viele Eltern sehen sich beim Erblicken einer Telefonzelle oft mit der Frage konfrontiert: „Papa, was ist das?“
30.000 Telefonzellen gab es einst in Österreich, heute sind es nur mehr rund 7.700, etwa 950 davon in OÖ.
Heute findet man Telefonzellen noch an hochfrequentierten Standorten wie Bahnhöfen und in Fußgängerzonen. Genutzt werden sie laut A1 noch von Wertkartenhandy-Besitzern (wenn das Guthaben ausgegangen ist), oder bei leerem Akku, von Menschen mit geringem Einkommen und von Touristen.
Im November 2021 trat das neue Telekommunikationsgesetzes in Kraft, damit gibt es für die heimische Telekom keinen gesetzlichen Auftrag mehr, Telefonzellen zu betreiben. Davor gab es im Abschnitt „Universaldienst“ die Verpflichtung, eine „flächendeckende Versorgung mit öffentlichen Sprechstellen an allgemein und jederzeit zugänglichen Standorten“ zu gewährleisten. Wann, wo und wieviele Telefonzellen abgebaut werden, wird laut Telekom derzeit noch evaluiert.
Was viele nicht wissen: Telefonzellen funktionieren auch, wenn alle Mobilfunknetze ausgefallen sind, Notrufnummern können jederzeit kostenfrei getätigt werden. Telefonzellen könnten so in Krisenzeiten eine neue, besonders wichtige Funktion bekommen.
Die Telekom nutzt viele Telefonzellen mittlerweile für andere Zwecke:
- DEFI-Zellen: „Wir stellen gerne unsere Telefonzellen als DEFI-Standorte zur Verfügung. Denn Defibrillatoren und Telefonzellen ergänzen einander gerade bei Notfällen sehr gut. Mit dem Defibrillator bekommt die Telefonzelle eine wichtige Rolle in der Rettungskette. Außerdem kann man auch von jeder Telefonzelle aus die Notrufnummern kostenlos anrufen“, sagt A1-Pressesprecher Jochen Ohnewas-Schützenauer.
- Bücherzellen: So manche nicht mehr benötigte Telefonzellen hat auch ein „zweites Leben“, dann in Form einer sogenannten Bücherzelle, die Gemeinden zur Verfügung gestellt wird. Auch für Kunst- und Kulturprojekte stellt A1 gerne nicht mehr benötigte Telefonzellen zur Verfügung.
- Stromtankstellen: Außerdem werden Telefonzellen auch als Stromtankstellen genutzt – seit Mai 2010 hat A1 in ganz Österreich knapp 40 Ladestationen für E-Fahrzeuge errichtet.
Seit 121 Jahren: Über die Telefonzellen in Österreich.
Die k.k. Post bewilligte nach der Jahrhundertwende die ersten „Telephonautomaten“ nach einem Patent des Ingenieurs Robert Bruno Jentzsch. Der erste Münzfernsprecher ging am 17. August 1903 am (damaligen) Wiener Südbahnhof in Betrieb. Gegen Einwurf von 20-Heller Stücken waren damit lokale Telefongespräche möglich. Ab 1907 durften Telefonautomaten auch in Kaffeehäusern aufgestellt werden. Ende 1907 waren in Wien 44 Münzfernsprecher aufgebaut und je einer in Trient und einer in Brixlegg. Zwischen 1903 und 1909 wurden in Bahnhöfen, Kaffeehäusern und in öffentlichen Gebäuden österreichweit 97 Telefonautomaten aufgestellt. Ab 1909 durften Fernsprechapparate in Kiosken auch auf der Straße errichtet werden. Zu Beginn allerdings nur „versteckt“ um das Ortsbild nicht zu verunstalten.