Die neue Linzer Digital Universität soll auf einer 5,5 Hektar großen Grünfläche – das entspricht sieben Fußballfeldern – nordöstlich des Science Park errichtet werden. Diese Standortentscheidung sorgt bei Fachleuten für Kritik. Andreas Kleboth, Mitglied der städtebaulichen Kommission und renommierter Stadtplaner/Architekt, sagt: „Die neue Digital Uni gehört in die Stadt an einen zentralen Standort. Das spart nicht nur Ressourcen, sondern führt automatisch zu einem Miteinander aus Universität und alltäglichem Stadtleben.“
Fast sechs Hektar Grünfläche sollen für die neue Digital Uni versiegelt und verbaut werden – zumindest, wenn’s auch dem Land OÖ und den maßgeblichen Politikern geht. Ein Blick aus der Luft zeigt, dass dieses Grundstück wie ein Keil in den Grünraum ragt. Raumplanerisch und städtebaulich ist es kaum nachvollziehbar, warum dort gebaut werden soll.
Kaum Vorteile
Ein starker Kritiker der Standortentscheidung ist der renommierte Architekt und Stadtplaner Andreas Kleboth, der auch Mitglied der Städtebaulichen Kommission ist. Natürlich würde die unmittelbare Nähe zum jetzigen JKU Campus diverse Synergien bei der Nutzung der Räumlichkeiten und der ‚Human Ressourcen‘ eröffnen: „Man stärkt den Standort am Stadtrand hinsichtlich Frequenz. Allerdings glaube ich nicht, dass das dazu beitragen wird, dass dieser Universitätsstandort ein ‚echter‘ Campus wird, dazu ist das Areal zu langgezogen. Zudem liegt der jetzt angedachte Standort zu weit weg vom jetzigen Zentrum des JKU Campus.“
„Dieser Universitätsstandort kann kein ‚echter‘ Campus werden, dazu ist das Areal zu langgezogen.“
Andreas Kleboth
Die bestehende Standortplanung sei zudem eine Fortführung der modernistischen Campus-Idee der 1960-er Jahre, die Universität am Stadtrand zu etablieren: „In vielerlei Hinsicht sind diese Universitätsgründungen am Stadtrand gescheitert und führten zu leblosen Arealen mit wenig Atmosphäre, kaum räumlicher oder funktionaler Dichte und zahlreichen Verkehrsproblemen.“ Die trostlosen, riesigen Parkplätze dieser Universitäten in Österreich, Deutschland, Schweiz etc. seien ein Beweis dafür, so Kleboth.
Die Grundidee dieser Campus-Anlagen am Stadtrand war damals, das universitäre Leben weitgehend vom städtischen Leben zu trennen: „Und genau da stellt sich die Frage, ob das noch zeitgemäß ist, und ob wir nicht genau das Gegenteil davon wollen.“
„In vielerlei Hinsicht sind Universitätsgründungen am Stadtrand gescheitert und führten zu leblosen Arealen mit wenig Atmosphäre und zahlreichen Verkehrsproblemen.“
Andreas Kleboth
Innerstädtischer Standort in vielerlei Hinsicht optimaler
Ein zentraler Standort würde nicht nur verkehrstechnisch weit mehr Vorteile bieten, so Kleboth: „Ein derartiger Standort ist für die meisten Studierenden und Beschäftigen zu Fuß, mit dem Fahrrad oder öffentlichen Verkehrsmitteln schnell erreichbar, die Erschließung mit dem Auto sollte nur die Ausnahme darstellen.“ Das zeige ein Vergleich der Linzer Kunstuniversität am Hauptplatz und die Linzer Medizin-Uni mit dem JKU Campus: Auf der einen Seite null Parkplätze im Freien und auch keine eigene Tiefgarage. Auf der anderen Seite der JKU-Campus, bei dem Frage der Autostellplätze den wesentlichen Kern aller baulichen Entwicklungen darstellt. Sogar ein separater Autobahnanschluss für die Universität mit extremen Kosten wird nun errichtet – zusätzlicher Kostenpunkt: mindestens 32 Millionen Euro.
„Areale wie das jetzt Vorgeschlagene sind ein Zeichen eines uralten, Auto-zentrierten Denkens.“
Andreas Kleboth
Intelligente Mobilitätsplanung heißt auch, entsprechend der vorhersehbaren Frequenz richtige Standorte zu wählen, so Kleboth. Nutzungen mit hoher Frequenz sollten demnach auch an Stellen in der Stadt etabliert werden, die leicht (vor allem mit dem Umweltverbund – zu Fuß, mit dem Rad, mit dem ÖV) erreichbar sind – dazu zähle ein Standort am Stadtrand definitiv nicht. „Und wenn die neue Universität auch von außerhalb von Linz gut erreichbar sein soll, dann sollte der Standort von der Bahn und nicht von der Autobahn optimal erreicht werden können. So gesehen ist die Standortentscheidung auch ein Bekenntnis zur gewünschten Mobilitätswende. Areale wie das jetzt Vorgeschlagene sind ein Zeichen eines uralten, Auto-zentrierten Denkens.“
Sinnvolle Vernetzung mit der Stadt
Ein Standort im Netzwerk der Stadt führt fast automatisch zu einem selbstverständlichen Miteinander aus Universität und alltäglichem Stadtleben. Cafés, Lokale, Geschäfte, soziale Einrichtungen bekommen durch eine Universität mehr Frequenz, zusätzliche Einrichtungen und Angebote etablieren sich und kommen allen zugute. Kleboth: „Studierende sind bekanntlich besonders präsent im Stadtraum, das macht Universitätsstädte so lebendig und abwechslungsreich. Das würde super zu Linz passen.“ Eine unmittelbare Nähe zu den Bewohnern der Stadt verstärkt auch den gegenseitigen Austausch, Universitätsstädte (in denen die Studierenden und Uni-Beschäftigten) auch in der Stadt leben, bieten häufig auch mehr informelle Angebote (Vorträge, Diskussionen, Ausstellungen…).
Letztlich verändert sich damit auch das Gesamtbild nicht nur der Stadt, sondern auch der Universität: „Nicht mehr eine abgehobene Forschungs- und Bildungseinrichtung, sondern ein zeitgemäßer, vielfältig vernetzter des Wissens-, Informations- und Ideenaustausch, ein Ort der Begegnung zwischen vielen Welten, ein Forum für Innovationen und (Stadt-)Leben“, so Kleboth. Außerdem würde diese unmittelbare Vernetzung im Stadtgefüge auch ein selbstverständliches (Mit-)Nutzen leerstehender Flächen und Gebäude (etwa die Nutzung des ehemaligen Linz-Energie-Gebäudes in der Gruberstraße durch die Medizin-Uni: „Wie soll so eine selbstverständliche und einfache Nutzung in einem neuen Campus am Stadtrand funktionieren?“
In Wien wurden die Universität für angewandte Kunst, die Akademie der Wissenschaften, die Boku im Zentrum gehalten, anstelle diese auf die grüne Wiese neu zu bauen.
Salzburg und Wien als Vorbild
Beispiele für die Integration von Universitäten im Stadtzentrum gibt es viele: So war die Idee der Salzburger ‚Altstadt-Universität‘, bestehende Häuser in der Altstadt zu nutzen, die Studierenden beleben seither den öffentlichen Raum bis hin zu einer höheren Frequenz in der Gastronomie und im Handel. In Wien wurden die Universität für angewandte Kunst, die Akademie der Wissenschaften, die Boku im Zentrum gehalten, anstelle diese auf die grüne Wiese neu zu bauen. Auch die WU im Prater ist ein gutes Vorbild.
Schub für die Stadtentwicklung durch neue Universität
Ein innerstädtischer Uni-Universität treibt mit einer Frequenz von mehreren tausend Menschen pro Tag auch aktiv die Stadtentwicklung an. Kleboth: „Würde die neue Universität etwa in der Petzoldstraße in der Nähe der ‚Digitalen Meile‘ und der Tabakfabrik situiert – etwa im jetzigen Bauhof des Landes OÖ – dann wird dieser Standort gestärkt: Alle dort angedachten Investitionen und Interventionen (Stadtbahn, Verbindung Stadt/Hafen, zusätzlicher öffentlicher Verkehr, Geh- und Radwegverbindungen, Vernetzung zur Donau ….) würden von Beginn an stärker genutzt, der Stadtraum belebter.“
Ein innerstädtischer Uni-Universität treibt mit einer Frequenz von mehreren tausend Menschen pro Tag auch aktiv die Stadtentwicklung an.
Zudem bekommen angedachte neue Projekte am Schlachthofareal, an der Donau (Lutz, Blau-Weiß-Stadion), das Projekt Hafencity und die Petzoldstraße (Dynatrace-Erweiterung…) Rückenwind. Und auch für die Studierenden brächte der Standort Petzoldstraße zahlreiche Vorteile: „Rundherum gibt es bereits jetzt viele Wohnungen, neue Wohnangebote können durch Verdichtung geschaffen werden. Kunst-Uni, Donau und die Hafen-Szene sind nahe. So ein Standort wäre ein starkes Zeichen für zukunftsweisendes Arbeiten.“
Nachsatz: Vor nur wenigen Jahren hat ein paar Meter neben dem geplante Digital Uni-Standort im Grünland wollte das Linzer Unternehmen Fabasoft eine ähnlich große Fläche aus dem Grüngürtel herauszulösen und verbauen. Das Projekt wurde nach einer medialen und politischen Debatte wieder abgeblasen. Bei diesem Landesprojekt scheint die Verbauung des Grüngürtels aber alternativlos zu sein. Klar wäre dann aber auch, dass einem weiteren ungehemmten Wachstum des Univiertels in Richtung Grüngürtel damit Tür und Tor geöffnet ist.