Seit bald einem Jahr im Amt, hat sich der gebürtige Linzer Sozial-Landesrat vom ersten Tag an behauptet – trotz der herausfordernden Themen Pflege, Corona und Soziales. Ein Bilanzgespräch.
Im Herbst ist das erste Jahr als Landesrat vorbei. Hatten Sie schon Zeit, eine erste persönliche Bilanz zu ziehen?
Persönlich wurde ich in den ersten Monaten sehr gut aufgenommen und wir führen mit unseren Partnern im Sozial- und Integrationsressort eine Diskussion auf Augenhöhe. Ich schätze diesen sehr respektvollen und wertschätzenden Umgang. Das ermöglicht uns auch, unabhängig unserer politischen Ideologie, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten. Wir haben zum Beispiel gemeinsam mit dem Linzer Bürgermeister Klaus Luger und Gemeindebundpräsidenten Hans Hingsamer die Fachkräftestrategie Pflege gestartet und werden hier noch im Herbst gemeinsam Maßnahmen präsentieren.
Sie waren in Ihrer Rolle als Landesgeschäftsführer auch ein blendender Stratege, Wahlkämpfer und Stimmungsmacher innerhalb der ÖVP. Wie weit vermissen Sie diese Rolle?
Die Rolle hat sich ja gar nicht so sehr verändert, lediglich das was an meinem Türschild steht. Ich darf an vorderster Front für die Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher unser Bundesland und vor allem unser Sozialsystem mitgestalten. Das konnte ich zuvor auch schon als Sozialsprecher bzw. als Obmann des Hilfswerks Oberösterreich. Als Mitglieder der Landesregierung ist die Verantwortung natürlich eine größere. Das Sozial- und Integrationsressort beschäftigt sich aktuell mit zentralen Herausforderungen unserer Gesellschaft. Ich bin sehr dankbar, dass mir unser Landeshauptmann Thomas Stelzer das Vertrauen für diese wichtige Aufgabe schenkt.
Die Corona-Pandemie ist aller Voraussicht nach vorbei – zumindest die ganz großen Einschnitte. Wie weit hat das die anderen Themenfelder wie Pflege oder Soziales gebremst?
Ich würde mit der Behauptung, die Pandemie sei vorbei, vorsichtig sein. Keiner kann sagen, wie sich das Virus weiter verhält und wir müssen weiterhin vorsichtig sein und dürfen nichts überstürzen. Die Herausforderungen der Pandemie haben uns natürlich auch im Ressort sehr gefordert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben zur Bewältigung aber großartiges geleistet, denen ich für ihren Einsatz danken möchte. Dank ihrem Engagement haben wir wichtige Themen vorantreiben können, wenn ich beispielsweise an das Oö. Pflegestipendium, die Novelle der Sozialhilfe, die Unterbringung ukrainischer Vertriebene, die Ausweitung von Deutschkursen oder von Angeboten für psychische Gesundheit von Jugendlichen und vieles mehr denke.
„Solidarität ist nicht alleine eine Aufgabe des Staates, jeder wird seinen Beitrag leisten müssen.“
Wolfgang Hattmannsdorfer
Apropos Soziales: Mit der dahingaloppierenden Inflation warten bereits die nächsten Herausforderungen in Ihrem Ressort. Ist diese Teuerungskrise nicht um einiges herausfordernder und für die Gesellschaft gefährlicher als die Corona-Pandemie?
Wir durchleben gerade eine der herausforderndsten Situationen nach dem zweiten Weltkrieg und viele meiner Generation kennen solche Zeiten gar nicht. Viele haben noch nie lernen müssen zu verzichten bzw. das nicht alles selbstverständlich ist. Umso wichtiger ist es, dass wir als Gesellschaft optimistisch bleiben und uns auch etwas zu trauen. Wir werden unseren Wohlstand nur halten können, wenn wir gerade in herausfordernden Zeiten bereit sind, etwas beizutragen. Als öffentliche Hand werden wir diejenigen, die unsere Hilfe brauchen, bestmöglich unterstützen. Solidarität ist aber nicht alleine eine Aufgabe des Staates, jeder wird seinen Beitrag leisten müssen.
Jedes negative Ereignis wie die Corona-Krise oder jetzt die Teuerung hat auch positive Seiten. Aber welche?
Wenn ich mir etwa jetzt die Diskussion um Strompreise und Energieeinsparungen ansehe: Plötzlich sind wir gezwungen, uns darüber Gedanken zu machen, wie wir Strom sparen können. Wir reden darüber, dass Gebäude nicht bis spät in die Nacht beleuchtet sein müssen oder ob ein Grad Raumtemperatur weniger nicht auch ausreichend ist. Bisher mussten wir uns diese Frage nicht stellen. Jetzt gibt es plötzlich ein stärkeres Bewusstsein dafür. Krisen bewirken bei allen Problemen und Herausforderungen auch immer einen Wandel. Wir müssen diese Herausforderungen aber auch annehmen und gemeinsam mit Optimismus an die Sache herangehen.
Anlass zur Sorge geben auch die aktuellen Flüchtlingszahlen. Muss sich Oberösterreich wieder auf ein zweites 2015 einstellen?
Wir beobachten seit Anfang des Jahres deutlich steigende Zahlen, die Unterbringung funktioniert aktuell aber trotzdem sehr gut. Von Bildern wie 2015, die vielen von uns noch in Erinnerung sind, sind wir weit entfernt. Klar ist in diesem Zusammenhang aber, dass die Europäische Union in der Flüchtlingsfrage versagt. Österreich hat nach Zypern die zweitmeisten Asylantragszahlen gemessen an der Bevölkerung. Für mich ist unverständlich warum die Politik auf EU-Ebene tatenlos zusieht. Österreich wird diese Frage nicht alleine lösen können. Minister Karner setzt wichtige Impulse wenn ich beispielsweise an eine stärkere Polizeipräsenz im Burgenland oder an eine Anti-Flucht-Kampagne in sicheren Herkunftsländern denke.
Zurzeit kommen verstärkt Menschen aus sicheren Ländern wie Tunesien, die von vornherein keine Chance auf ein Bleiberecht haben. Sind die Herausforderungen dadurch andere geworden?
Der Wohlstand in Europa bewegt leider auch viele Menschen aus sicheren Ländern zu einer Flucht nach Österreich und illegale Schlepper machen daraus auch noch Geschäfte. Dem müssen wir entschieden entgegenwirken und unser Sozialsystem vor Menschen schützen, die sich auf unsere Kosten ein schöneres Leben erwarten. Mein Standpunkt in dieser Frage ist klar: Wir dürfen als Land keinesfalls die Signale aussenden, dass wir derartige Migration dulden. Gleichzeitig müssen wir aber auch Möglichkeiten schaffen, um qualifizierte und motivierte Menschen gezielt aus dem Ausland nach Österreich zu holen, um sie für unseren Arbeitsmarkt zu gewinnen.
„Wir haben aktuell rund 800 Betten in den Alten- und Pflegeheimen unbelegt, weil das Personal fehlt.“
Die Bedarfsprognosen sagen, dass eine enorme Herausforderung auf uns zukommt – sowohl personell als auch von der Kostenseite. Geht sich das alles aus?
Wir haben aktuell rund 800 Betten in den Alten- und Pflegeheimen unbelegt, weil das Personal fehlt. Vor sechs Jahren waren es lediglich sechs Betten, diesen Trend müssen wir stoppen. In sechs Jahren will ich nicht derjenige sein, der darüber berichtet, dass sich diese Zahl weiter verdoppelt hat. Ich habe daher als erste meiner Maßnahmen die Fachkräftestrategie Pflege gestartet, um gemeinsam mit dem Personal und den Anbietern wirksame Maßnahmen zu erarbeiten, die wir als Land Oberösterreich umsetzen können. Wir befinden uns in der Endphase dieses Prozesses und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir mit dem Maßnahmenpaket wichtige Akzente setzen werden.
Die Pflegereform wurde jahrelang verzögert und hintangestellt, aber vor der Sommerpause doch noch beschlossen. Manche kritisieren diese bereits als „Reförmchen“. Und es ist auch offen, ob die vereinbarten Zusatzzahlungen über 2024 hinauslaufen werden.
Die präsentierten Maßnahmen sind enorm wichtig und mit seinem Volumen das größte Reformpaket der vergangenen Jahrzehnte. Mir war es von Beginn an wichtig, dass die Reform auch in den Sozialbetreuungsberufen ankommt, die für die oberösterreichische Pflegelandschaft enorm wichtig sind. Das ist uns Gott sei Dank gelungen. Der Bund hat angekündigt, dass dies erst das erste Reformpaket ist. Die Gespräche mit den Gemeinden und Ländern dazu müssen unmittelbar starten, damit wir das Tempo beibehalten. Ich denke hier beispielweise an eine Ausweitung der Kompetenzen der Fachkräfte. Vieles was gelernt wird, kann dann aber nicht eingesetzt werden. Wir sollten unseren Pflegekräften mehr zutrauen.
Wie wollen Sie junge Menschen für den Pflegeberuf begeistern? Wie man mittlerweile weiß, kommt es den Menschen nicht nur auf eine entsprechende Bezahlung an, sondern auch auf eine ausgewogene Work-/Life Balance. Ausweg?
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um wirklich einmal die Lanze für den Pflegeberuf zu brechen. Bei allen Herausforderungen ist es ein ungemein schöner und sinnstiftender Beruf, der zudem sicher ist und viele Möglichkeiten der persönlichen Weiterentwicklung bietet. Mit dem monatlichen Oö. Pflegestipendium von 600 Euro setzen wir ab Herbst bewusst eine Maßnahme, um bereits die Ausbildung attraktiver zu gestalten. Wichtig ist aber, dass wir wieder anfangen positiv über Jobs in der Pflege zu sprechen. Uns bringen alle Maßnahmen, die wir nun ergreifen, nichts, wenn wir es nicht schaffen das Image des Pflegeberufes wieder aufzupolieren. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit Jobs in der Pflege die richtige Antwort auf die Erwartungen der Jugend haben. Ich lade jeden ein Teil des Pflegeteams in Oberösterreich zu werden und eine Ausbildung in der Pflege zu starten.
Sie haben fast Ihr gesamtes bisheriges Leben der Politik gewidmet. Das Image des Berufspolitikers ist derzeit nicht das Beste. Haben Sie Ihre damalige Entscheidung je bereut?
Ganz im Gegenteil – ich bin mit voller Leidenschaft in der Politik weil ich Verantwortung für meine Mitmenschen übernehmen und etwas weiter bringen will. Das hat schon in der Schule begonnen, als ich damals die Schulmilch organisiert habe oder später als ich Schulsprecher war.
Während die Bundes ÖVP schwächelt, ist die ÖVP OÖ der aktuell stabilste Anker Ihrer Partei. Ist das der „Stelzer-Effekt“?
Gerade der Blick auf andere Bundesländer zeigt, wie wichtig Stabilität und Konsequenz in Zeiten wie diesen ist. Das verkörpert unser Landeshauptmann. Der Oberösterreich-Plan mit einem Volumen von 1,2 Milliarden Euro ist das beste Beispiel dafür. Wir haben in guten Zeiten gespart, deshalb haben wir jetzt die Kraft zu helfen. Das ist der Verdienst von Thomas Stelzer. Ich bin dankbar, in seinem Team Oberösterreich mitgestalten zu dürfen.
Ihnen wird immer wieder nachgesagt, dass Sie auch höheren Weihen in Wien – etwa als Minister – nicht abgeneigt wären?
Das ist für mich kein Thema. Ich bin gerade einmal seit einem Jahr Landesrat und die Herausforderungen sind unbestritten groß. Da packt man nicht einfach seine Koffer und bricht die Zelte ab. Das ist nicht mein Stil. Meine Zuständigkeiten sind mir ein echtes Anliegen und ich will hier etwas für die Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher erreichen, darum bin ich auch in die Politik gegangen. Jetzt kämpfe ich an vorderster Front im Team von Landeshauptmann Thomas Stelzer.
Warum hat Sie eigentlich nie der Job des ÖVP-Spitzenkandidaten (Bürgermeisterkandidat) für Linz gereizt? Ist Ihnen die Stadt zu „klein“?
Linz ist eine traumhafte Stadt und ich bin voller Überzeugung Linzer. Als solcher versuche ich natürlich auch in der Landesregierung, die Interessen der Landeshauptstadt mit zu vertreten, das kann nie schaden. Vizebürgermeister Martin Hajart hat vor wenigen Monaten die ÖVP Linz übernommen und er ist der richtige Mann dafür. Er geht mit sehr viel Leidenschaft und Tatendrang an die Sache heran. Außerdem bin ich nach wie vor in meinem Stadtteil in Auhof – Dornach – Katzbach tief verwurzelt. Zwar habe ich vor einigen Wochen dort meine Rolle als Obmann abgegeben, bleibe dem Team weiterhin tatkräftig und als starke Stimme auf Landesebene erhalten. Als Team in der Stadt und im Land arbeiten wir für die Linzerinnen und Linzer – und darauf freue ich mich.
Ihre beiden Buben sind fünf und acht Jahre alt. Wieviel Zeit und Platz ist im beruflichen Alltag des Landesrates Hattmannsdorfer für die Familie – gibt’s ein spezielles Zeitmanagement?
Wir nehmen uns bewusst gemeinsame Zeit, das erfordert auch spezielles Zeitmanagement. Zum Beispiel gehört der Morgen ganz bewusst der Familie. Bevor es in den Kindergarten bzw. die Schule geht frühstücken wir zusammen und ich bringe den Kleineren dann auch oft noch in den Kindergarten. Auch am Wochenende versuchen wir gemeinsam Ausflüge zu machen und oder etwas zu unternehmen. Da gehen wir im Biesenfeldbad schwimmen, fahren Skateboard oder fangen Frösche. Das hilft dabei abzuschalten und den Fokus auf andere Dinge zu legen. Wichtig ist, dass man das aber ganz bewusst macht und nicht mit seinen Gedanken wo anders ist.
Sie sind auch begeisterter Linzer. Was macht unsere Stadt für Sie so besonders?
Linz ist absolut lebenswert und hat für mich einen unbeschreiblichen Charme. Ich liebe die Nähe zur Donau und bin froh, dass die damit verbundenen Möglichkeiten in den letzten Jahren stärker genutzt werden. Wenn ich beispielsweise an Veranstaltungen wie die Bubble Days im Hafen oder das Donau-Stadtfest Ufern denke. Es ist aber nicht nur die Stadt und die Angebote sondern es sind vor allem auch die Linzerinnen und Linzer. In Summe würde ich sagen sind wir schon sehr gemütliche Menschen und ich genieße die Begegnungen und Gespräche, die ich in meiner Heimatstadt tagtäglich erleben darf.
Fotos: Land OÖ, Privat, 4yougend