Medien und Stadtpolitik feiern derzeit gleichermaßen die Inbetriebnahme der ersten solarbetriebenen, selbstpressenden Mülltonne am Linzer Taubenmarkt. Die Geräte verdichten den Müll bis zu achtmal und arbeiten ohne Stromanschluss. Der Vorteil: Personalersparnis, weniger herkömmliche Mülltonnen und auch weniger Betriebskosten. Innovativ ist das in anderen Städten schon länger bestehende System dennoch nur sehr begrenzt, weil die Themen Mülltrennung und Müllvermeidung komplett ignoriert werden. Dabei gäbe es entsprechende Lösungen bereits. Über Linz und seinen langen Weg zur Smart City.
Neu ist die Idee von Solarmüllpressen nicht – in anderen Städten wie Hamburg stehen ähnliche Geräte bereits seit vielen Jahren. Selbstpressende Mülltonnen gab’s bisher auch bereits auf Linzer Stadtgebiet, das Gerät am Taubenmarkt ist allerdings der erste solarbetriebene – und damit ortsunabhängige Verdichter. Gewöhnlicher Müll wird bis zu 5mal, Fast Food Rückstände und Verpackungen sogar bis zu 8mal verdichtet.
Thema Mülltrennung wird komplett ignoriert
Das größte Problem: Das Thema Mülltrennung wird durch die „Allesfresser“ im XL-Formt komplett ignoriert. Im Gegenteil: Es wird förmlich dazu eingeladen, noch mehr Müll zu produzieren. Innovativ und zukunftsweisend ist das – trotz Solarbetrieb – nicht. Wo sind die Konzepte, Innovationen, Ideen und Anreize – zum Beispiel für die innerstädtischen Fast Food Betriebe – weniger Verpackungsmüll zu produzieren? Und warum gibt es gerade an neuralgischen Punkten wie dem Taubenmarkt absolut keine Mülltrennungsmöglichkeiten? Der „Wastemate 240“ macht keinen Unterscheid, er frisst alles: Glas, Dosen, Batterien, Schrott, Essensreste und noch viel mehr. „Egal wieviel Müll, immer her damit!“ – ist das tatsächlich der Anspruch, den Linz sich als Smart City und angehende Innovationshauptstadt stellen sollte?
Nachträgliche Mülltrennung wird nahezu verunmöglicht
Aufgrund des Solarbetriebs wird rund um den Wastemate auch von der grünen Umweltstadträtin Schobesberger ständig der Begriff „Nachhaltigkeit“ bemüht. Dabei ist klar: Achtmal komprimierter „Einheitsmüll“ kann kaum noch sortiert und getrennt werden. Denn in den Sortieranlagen wird der Abfall möglichst locker auf Bänder geschüttet, damit er besser nach Materialarten getrennt werden kann. Was dabei nicht identifizierbar oder zu verschmutzt ist (Plastikverpackungen, PET-Flaschen usw.), landet im Restmüll – und wird verbrannt (was laut Klimaschutzministerium auch übrigens auch mit 72% des getrennten Plastikmülls passiert).
Jeder Haushalt ist in Österreich nach dem Abfallwirtschaftsgesetz (AWG 2002) verpflichtet, den eigenen Müll ordnungsgemäß zu trennen. Für Kommunen und den öffentlichen Raum besteht anscheinend ein gesetzloser Zustand.
Geringere Kosten als billiges Argument?
In ausnahmslos allen anderen Bereichen, in denen es um Umweltschutz, Klimaschutz und Nachhaltigkeit geht, spielen die Kosten kaum eine Rolle. Hier wird aber genau dieses Argument ins Treffen geführt, obwohl unter dem Strich wohl kaum eine Ersparnis bleibt: Rechnen soll sich die Investition – ein Gerät des niederländischen Herstellers Procomat kostet um die 6.000 Euro – durch weniger Personalaufwand, seltenere Entleerung und entfallende Feiertagszuschläge. Im neunmal so großen Hamburg errechnete die Stadtregierung durch ein ähnliches System eine Einsparung von 200.000 Euro pro Jahr, im beschaulicheren Linz beträgt das Sparpotenzial wohl einen Bruchteil davon.
Kommentar
Eigentlich erschreckend, was in Linz in Sachen Müll (und damit Umweltschutz) als innovativ bejubelt wird – nicht nur von der Politik, sondern von nahezu allen Medien. Keiner schaut hinter den Vorhang: 588Kg Hausmüll produzierte jeder Österreicher etwa 2019 – sieben Kilo mehr als im Jahr zuvor und auch weit mehr als der EU-Durchschnitt (502Kg).
Doch statt Ansätze zu suchen, um weniger Müll zu produzieren, sendet Linz andere Signale aus. Augen zu und durch: Linz verdichtet einfach die immer größere Abfall-Lawine um das bis zu 8-fache und alles ist gut, weil die entsprechende Müllpresse ohnehin „nachhaltig“ mit Sonnenenergie betrieben wird.
Was der Anspruch von Linz sein sollte? Die Themenführerschaft beim Mülltrennen, nachhaltiger Entsorgung und zukunftsweisenden Lösungen in Sachen Müllvermeidung anzugehen – wenn schon nicht mit Gesetzen (die großteils in Wien gemacht werden), dann wenigstens mit Belohnungssystemen und dem Einsatz von entsprechenden Lösungen, wie es sie bereits am Markt gibt: Mehrwegideen für Fast Food-Betriebe (wer Mehrweg anbietet, zahlt zB. weniger Abgaben oder erhält andere Anreize), statt „Alles hier rein“-Geräten lieber innovative Müllpressen mit Trennsystem und vielem mehr. Aber „weniger“ Müll, weil man ihn achtmal zusammenpresst? Dieser Schmäh ist selbst für Linz zu billig.