Über 80.000 Linzer Wohnungen sind bereits ans Linzer Fernwärmenetz angeschlossen – aber ist der intensive Ausbau durch den Marktführer Linz AG tatsächlich das so gepriesene Zukunftsmodell? 51 Prozent der erzeugten Fernwärme kommt von fossilen Energieträgern (hauptsächlich Erdgas). Mit Juni 2022 droht allen Linz AG Fernwärme-Kunden der Kostenhammer – da die vom Unternehmen gegebene Preisgarantie ausläuft. Preissteigerungen von bis zu 30 Prozent werden befürchtet – nicht nur bei der Fernwärme, sondern auch beim Strom. Und die Experten sind sich einig: Mit dem Umstieg weg vom russischen Gas wird die Fernwärme in absehbarer Zeit nochmals empfindlich teurer werden.
Die Energie Steiermark etwa verteuert ihre Preise ab April pro Haushalt im Schnitt um 18 Euro bei Strom und Tim 20 euro bei der Fernwärme.
Wie die aktuelle Entwicklung eindringlich zeigt, ist zentral gesteuerte und produzierte Fernwärme sehr krisenanfällig (ganz abgesehen von der furchtbaren Klimabilanz durch das Verheizen von fossilen Energieträgern). Die Linz AG Fernwärme ist besonders stark vom (russischen) Erdgas abhängig: 51 Prozent der erzeugten Fernwärme kommt vom Gas. Auf mögliche Erdgaslieferengpässe will man sich jetzt u.a. mit einem zeitweisen Umstieg des Brennstoffes auf Heizöl helfen – um sich in weiterer Folge wohl wieder in die Abhängigkeit ausländischer Gaslieferanten – diesmal eben aus den USA oder dem arabischen Raum – zu begeben. Aktuell schaut’s so aus:
- 51% der erzeugten LINZ AG Fernwärme kommen von fossilen Energieträgern – und hier hauptsächlich vom Erdgas.
- 26% kommen vom ebenfalls CO2-intensiven Verbrennen von Müll und Klärschlamm (bis zu 250.000 Tonnen/Jahr).
- 11% stammen von der Abwärme.
- 12% werden durch das Verbrennen von Biomasse (Holz/Pellets) gewonnen.
Problemfall Müllverbrennung
Wobei das Thema Müllverbennung (in Wien, Linz und St. Pölten wird dadurch ein hoher Anteil der Fernwärme generiert) durchaus heikel ist: „Es wird sehr häufig davon gesprochen, dass die Verbrennung eine saubere Technologie ist und am Ende gar kein Abfall entsteht. Das ist mitnichten der Fall“, sagt etwa Thomas Fischer, Experte für Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe. Durch die Verbrennung werden krebserregende Stoffe wie Dioxine und Furane freigesetzt, auch belastete Stäube und Aschen fallen an, die allesamt als Sondermüll untertage endgelagert werden müssen. Außerhalb Wiens gibt es in Österreich sieben Müllverbrennungsanlagen – u.a. auch in Linz. Österreich bedient sich bei der Endlagerung der anfallenden Giftstoffe laut Lebensministerium u.a. einer Endlagerstätte in Salzstöcken in Baden-Würtemberg.
Wiewohl: Eine andere Lösung als Verbrennen gibt es angesichts der enormen (Plastik)Müllmengen derzeit nicht. Eine Möglichkeit wäre die drastische Reduktion des anfallenden Mülls – das EU-Verbot von Plastikstrohhalmen ist zwar nett, aber nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein.
Bis zu 30 Prozent Leitungsverluste
Ein weiteres nicht wegzudiskutierendes Problem bei der Fernwärme: Bei schlecht gedämmten Fernwärmenetzen können Verluste von über 30 Prozent der Energie, die über die Leitungsnetze transportiert wird, auftreten. Auch Netze, an die nur wenige Abnehmer angeschlossen sind, können Verluste in dieser Größenordnung erreichen.
Photovoltaik-Module als Lösung
„Eine Lösung wäre ein Umstieg weg von Gas und Fernwärme und ausschließlich hin zu Strom als Energieträger. Dann könnten auf den Dächern Photovoltaik-Module Strom produzieren, die Heizquellen sind Wärmetauscher (Luft oder Erde) und zusätzlich benötigte Energie wird per Strom geliefert“, sagt Andreas Kleboth. Der Stadtentwickler hat in einem Forschungsprojekt der TU Wien mitgearbeitet. Dabei wurde festgestellt, dass eben genauso ein Umstieg von Gas und Fernwärme auf ausschließlich Strom als Energieträger (der idealerweise noch dazu direkt vor Ort am Hausdach produziert wird) optimal wäre. Und Hausdächer gäbe es – andere als Gas, Öl oder Bäume – mehr als genug in Linz.
Ebenfalls pikant: Die Linz AG bezeichnet das Verheizen von Pellets sehr blumig als ‚Naturwärme‘ – und die so gewonnene Fernwärme als ‚CO2-neutral‘. In Wirklichkeit wird damit die Bilanz der Fernwärme aber weiter verschlechtert und bilanziell noch weniger umweltfreundlich. Verbrennen ist verbrennen – und wird auch mit netten Koseworten nicht besser.
750Kg gebundenes CO2 in einem Festmeter Fichtenholz
Warum das Verheizen von Holz dem Klima nichts bringt? In einem Festmeter Fichtenholz stecken 750kg CO2, die jahrzehntelang gebunden waren und beim Verbrennen 1:1 freigesetzt werden. Auch wenn man danach wieder Bäume pflanzt, bringt das dem Klima lange nichts, werden diese Bäume doch erst frühestens in vier oder fünf Jahrzehnten wirklich klimawirksam. „Klimaneutral“ klingt gut, heißt aber eben auch, dass dabei keinerlei zusätzliches CO2 gebunden wird (was aber dringend nötig wäre). Mit dem gleichen Argument könnte man auch das Verheizen von Erdgas, Kohle oder Öl als „klimaneutral“ bezeichnen, weil auch diese Stoffe aus der Natur stammen und sich wieder nachbilden – wenn auch in einem viel längeren Zeitraum…
„Auffällig ist, dass in Linz der Anteil der Abwärme an der Fernwärmeerzeugung nur halb so hoch ist wie in Graz, obwohl Linz als bedeutende Industriestadt hohe Potenziale zur Nutzung von Abwärme aufweist.“
Aud dem Global2000 Klimareport
Versäumnisse bei der Nutzung der industriellen Abwärme?
Beim Global 2000 Klimareport kommt Linz nicht nur darum schlecht weg. So heißt es „Auffällig ist, dass in Linz der Anteil der Abwärme an der Fernwärmeerzeugung nur halb so hoch ist wie in Graz, obwohl Linz als bedeutende Industriestadt hohe Potenziale zur Nutzung von Abwärme aufweist.“ Hier gab es offensichtlich Versäumnisse, die Industrie in Lösungen mit einzubeziehen. Explizit im Klimareport als Ausweg genannt werden die verstärkte Nutzung von biogenen Reststoffen, gewerblicher Abwärme, Großwärmepumpen sowie Solar- oder Geothermie.
Kommentar: Linz am Irrweg?
Die LINZ AG versorgt bereits etwa 72 Prozent der rund 116.000 Linzer Wohnungen (Stand 2019) mit Fernwärme. Mit dem Vorhaben „80 Prozent Versorgungsanteil bei Wohnungen bis 2030“ ist das nächste große Ziel bereits definiert. „Fernwärmehauptstadt Linz“ – diesen Titel hat die Linz AG der Stadt Linz demzufolge stolz umgehängt. Wenn man es aber ernst meint mit dem Klimaschutz, ist es schwer verständlich, dass man weiter mit Scheuklappen nur in diese eine Richtung galoppiert. Denn unter dem Strich ist Fernwärme ist alles andere als klimafreundlich.
Seitens der Linz AG wird argumentiert, dass man damit „schmutzige“ Ölheizungen von Haushalten reduziert, aber wieviele Wohnblöcke mit Ölheizungen oder Kohleöfen gibt es heute wirklich noch? Mit Öl wird heute selbst nicht mal mehr in den „Hitlerbauten“ geheizt. Wo sind stattdessen die Konzepte und Ideen, diese Wohnblöcke mit Photovoltaik auf den oft riesigen Dächern auszustatten – idealerweise mit einem Beteiligungsmodell, das die Mieter der Wohnungen quasi zu „Selbstversorgern“ macht? Wirklich Lust hat man bei der Linz AG darauf keine. Klar, „abhängige“ Kunden (und das ist man mit einem Fernwäremanschluss auf Gedeih und Verderb) sind für die Linz AG ein sehr einträgliches Geschäft, obwohl das der alles andere als nachhaltige Weg in die Zukunft ist – weil es viel längst bessere und nachhaltigere Alternativen gibt. Sonnenenergie auf Hausdächern gäbe es gratis, hier täte sich die Linz AG jedoch schwer, in einem ähnlich großen Ausmaß mitzuschneiden oder regelmäßige Verteuerungen (wie sie uns jetzt bevorstehen) zu argumentieren.
Das Ganze miefelt leider einmal mehr nach Etikettenschwindel, für den die Linzer Klimabemühungen mittlerweile berühmt – oder besser gesagt berüchtigt sind. Mutig mit wirklich zukunftsweisenden Ideen voranschreiten –Stichwort Innovationshauptstadt! – geht jedenfalls anders.