Neues Projekt, altes Spiel: Das geplante Hochhaus am Bulgariplatz erregt die Gemüter. Vor allem aus einem Grund: Weil es hoch ist, das Hochhaus. Und wegen seiner 88 Meter nicht ins dortige Ortsbild passt. Mit Verlaub: So ein Mist.
Mit dem Prädikat „Architektonisch besonders wertvoll“ wird der Bulgariplatz wohl nie ausgezeichnet werden: Auf der einen Seite das Panuli-Hochhaus mit seinem bestenfalls morbiden Charme, gegenüber die plattenartige Verbauung an der Wienerstraße samt allerlei – na sagen wir „bodenständigen“ Geschäften und Lokalen. Und der Bulgariplatz selbst ist mit einem Jahrzehnte-übergreifenden Mix an Baustilen bis zur kompletten Gesichtslosigkeit verunstaltet.
Dass sich hier zudem der Schnittpunkt von drei Durchzugsstraßen und der aus der Erde auftauchenden Mini-U-Bahn befindet, komplettiert die enden wollende Anziehungskraft dieses alles andere als stillen Örtchens. Man möchte fast sagen: Wo, wenn nicht hier gehört ein überragendes Hochhaus, das die ganze Gegend aufwertet, hin? Wolkenkratzern geht’s in Linz ähnlich wie Flüchtlingsunterkünften: Beide sind seltsamerweise überall unpassend.
Die verantwortlichen Planer haben einmal mehr die Rechnung ohne die Bewohner gemacht:„Mehr Schatten, weniger Aussicht und mehr Verkehr befürchten Anrainer durch das geplante Hochhaus am Bulgariplatz“ berichteten die OÖ Nachrichten, nachdem die ersten Pläne bekannt wurden. Um „nicht tolerierbare“ 26 Meter würde der geplante Riese die umgebenden Bauten überragen.
Hilfe! Schatten! Weniger Aussicht! Womöglich Terrorangriffe! Einstürzende Neubauten – heißt nicht auch eine unbequeme deutsche Band so?
Irgendwie fühlt man sich bei derlei Argumenten an die Bauordnung karibischer Inselstaaten erinnert: Dort darf auch kein Haus höher sein als die dienstälteste Palme. Oder das lokale Gotteshaus. Bloß nicht auffallen!
Soll Linz immer weiter zum gesichtslosen Einheitsbesiedelungsgebiet werden? Noch ein weiteres Ebelsberg, wie es in der Grünen Mitte entsteht? Und noch mehr Kleinbürgertum, das sich vor allem fürchtet, was größer ist als ein herkömmlicher Kirchturm? Oder braucht es nicht auch Landmarks, Wahrzeichen, Stadtteil-Anknüpfungspunkte und selbstbewusste Statements statt noch mehr vom Gleichen? Dann würde sich irgendwann auch mal die Angst vor großen Schatten und weniger Aussicht legen.
Unverständlich, warum Hochhäuser in Linz immer noch einen dermaßen schlechten Ruf genießen. Vielleicht wegen des Lentia 2000 in Urfahr, das bei seiner Eröffnung 1977 die Gemüter dermaßen erregte, dass manche davon bis heute noch kochen? Eher nicht, denn der Bau gilt unter Fachleuten auch 2015 immer noch als gelungen. Und es gibt kaum einen Bewohner, der dort nicht gerne ein und aus geht.
„Ich glaube, die Abneigung von Hochhäusern liegt vielmehr am mittlerweile gesprengten Harter Plateau“ glaubt Bürgermeister Klaus Luger. Und da hat der Bursche nicht ganz unrecht, denn die beiden 1975 gebauten Türme waren in jeder Hinsicht zum Speiben: außen hässlich, innen furchtbar – und voller sozialem Sprengstoff. Immer wieder wurde im Keller Feuer gelegt, die Stiegenhäuser waren „bunter“ und übelriechender als die dunkelsten Ecken der New Yorker Bronx.
Einen ersten Teilerfolg hat die lokale Bürgerinitiative am Bulgariplatz bereits erreicht: Der geplante Turm soll statt 88 nur mehr 66 Meter hoch werden. Biederes Mittelmaß reloaded. Wer weiß, vielleicht werden’s am Ende nur 33 oder 22 Meter. Schade, denn die Diskussion um Bauhöhen zeugen vor allem von einem: jeder Menge Kleingeist. Linz ist immr noch voll davon.
wilson holz