2018 ist ein großes Gedenkjahr für Österreich. Landeshauptmann Thomas Stelzer spricht im LINZA-Talk über die Bedeutung von Demokratie heute und die Lehren und Aufträge eines der dunkelsten Kapitel unseres Landes.
Das Ende des 1. Weltkriegs, der Zerfall des Vielvölkerstaates und der Beginn der Ersten Republik 1918. 20 Jahre später der Anschluss ans Deutsche Reich: Wie konnte es zu so einer dramatischen Entwicklung kommen?
Der 12. März 1938 war Schlusspunkt eines eigenständigen Österreichs und der Ersten Republik. Und er war gleichzeitig Auftakt für das dunkelste Kapitel unserer Geschichte. Die Politik bekam die Weltwirtschaftskrise nicht in den Griff und hat tausende Menschen in die Arbeits- und Hoffnungslosigkeit und damit viele direkt in die Hände den rechtsextremen Demagogen getrieben. Gleichzeitig gab es keine politische Kultur des Miteinanders, so wie wir sie heute kennen und pflegen. Die Folge davon waren Sprachlosigkeit und die Unfähigkeit der Zusammenarbeit zwischen den politischen Lagern.
Welche Lehren sind aus diesem dunklen Kapitel der Geschichte zu ziehen – für Gesellschaft und Politik?
Eine ganze Reihe – zum Beispiel die Fehler, die in der ökonomischen Entwicklung der 20er und 30er Jahre begangen wurden – aber auch Aufträge, an denen auch heute noch ständig gearbeitet werden muss. Wir dürfen nie wieder eine Entwicklung im politischen und öffentlichen Raum zulassen, die Hass, Intoleranz und Herrenmenschen-Wahn fördert. Und wir wollen ein Europa weiterbauen, in dem den Menschen nie mehr ihre Würde abgesprochen wird, weil sie anderen Religionen oder Weltanschauungen angehören.
Der heutigen Gesellschaft wird Demokratiemüdigkeit unterstellt. Wie steht es um die Demokratie im Jahr 2018?
Das demokratische System ist nach wie vor das mit Abstand beliebteste. Aber wir dürfen nicht jene überhören, die Kritik daran üben. Nur durch ein Miteinander und eine Kultur des Dialogs werden wir unsere Demokratie stärken. Außerdem ist es unser Auftrag, junge Menschen für Politik zu begeistern. Erst kürzlich haben wieder 450 Jugendliche aus 18 oö. Schulen im Landhaus die „Werkstatt für Demokratie“ besucht und dabei demokratische Strukturen, die Bedeutung der Mitbestimmung sowie die Aufgaben des Landtags erforscht und erlebt.
Wurden auch spezielle Angebote für junge Menschen rund um dieses große Gedenkjahr geschaffen?
Es gibt eine Reihe von Veranstaltungen, die das Gedenkjahr aufgreifen. Unter anderem läuft gerade die zeitgeschichtliche Ausstellung „Zwischen den Kriegen“ im OÖ. Landesmuseum. Sie bietet Einblicke in die zahlreichen Brüche und Widersprüche – politisch wie sozial – in Oberösterreich von 1918 bis 1938. Und es wurden großartige Kulturvermittlungsangebote für Schulklassen geschaffen. Ich würde mir wünschen, dass möglichst viele Schülerinnen und Schüler die Chance bekommen, die Ausstellung zu sehen. Denn sie ist eine hervorragende Möglichkeit, auch den jüngeren Generationen ein Bewusstsein für eine Vergangenheit zu vermitteln und Denkprozesse anzustoßen.
Am 2. November feiert OÖ den 100. Geburtstag. Was soll beim 200-Jahr-Jubiläum in den Geschichtsbüchern über unser Bundesland stehen?
Dass es ein sicheres und lebenswertes Land ist – ein Land der Möglichkeiten für alle Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher. Dass es hier mehr Chancen gibt als anderswo: beim Arbeiten, Unternehmen, Ideen entwickeln, in der Bildung und beim Studieren und beim kulturellen Schaffen. Und dass die nächsten Generationen in einem Land großgeworden sind, dass ihnen keine Schuldenlast hinterlassen hat, sondern Raum zum Gestalten.