Um die 790.000 Nächtigungen – und damit ein kleines Plus – erwartet der Linzer Tourismusdirektor Georg Steiner für 2016. Linz muss aber sparen – ob die möglichen Einschränkungen im kulturellen Angebot auch einen Einfluss auf die Nächtigungszahlen haben werden, erläutert Steiner im LINZA-Talk.
Georg Steiner – ein großes Thema in Linz ist derzeit das Sparen, das auch das kulturelle Angebot betrifft. Das Linz Fest findet etwa nur mehr alle zwei Jahre statt, auch die Museen werden bei den Öffnungszeiten kürzer treten. Befürchten Sie dadurch Einbußen bei den Nächtigungszahlen?
Die kulturelle Dichte und Vielfalt ist natürlich schon eine wichtige Basis, dass Linz für den Tourismus attraktiv bleibt. Es geht auch darum, dass der positive Imagegewinn seit 2009 beibehalten werden kann oder ob das abbricht. Da geht es um mehr als nur um den Tourismus. Da geht es auch um Arbeitsplätze, Attraktivität für die Linzer selbst. Auf jeden Fall würden diese Sparmaßnahmen eine Schwächung bedeuten.
Die Medien messen erfolgreichen Tourismus stets nur an den Nächtigungszahlen. Empfinden Sie das als ungerecht?
Es ist zumindest nicht sachgerecht. Eine härtere Währung wäre die Wertschöpfung, also wieviel Geld durch den Tages- und den Nächtigungstourismus hereinkommt. Leider kann man das nur sehr schwer exakt messen und abgrenzen. Was mir auch wichtig ist, ist die gefühlte Stimmung. Wenn man durch die Stadt geht, dass man merkt, hier sind Touristen unterwegs. Ich traue mich zu sagen, dass das Stadtbild in den letzten paar Jahren „asiatischer“ geworden ist und viele amerikanische und englisch-sprechende Touristen, die vor allem von den Kreuzfahrtschiffen kommen, durch die Stadt laufen.
Dennoch: Die Nächtigungszahlen stagnieren seit ein paar Jahren in Linz, während Salzburg, Graz oder Wien seit 2009 Zuwächse von über 30 Prozent hatten.
Linz hat aktuell 800 Betten weniger als im Kulturhauptstadtjahr 2009, wir haben aber dennoch 100.000 Nächtigungen mehr. In den nächsten Jahren tut sich in Sachen Hotelneubauten einiges und ich bin sicher, dass es dann einen Nächtigungsschub geben wird.
Hat Linz aufgrund seiner kritischen Größe und seiner Lage zwischen den touristischen Hotspots Salzburg, Prag, München und Wien nicht einfach seinen Plafond erreicht?
Je internationaler die Touristen sind, umso punktueller wählen sie ihre Ziele. Diese Reisenden haben nicht die Zeit für drei oder vier Städte in Österreich. Bei Touristen, die nur die erwähnten Hotspots Wien, München, Prag oder Salzburg ansteuern, ist es schwer, auch für Linz eine Nächtigung herauszuholen. Wir können dort nur ganz spitz mit speziellen Themen hineingehen. Darum setzen wir auch auf kleine emotionale Brückenköpfe wie etwa Städtepartnerschaften.
Die Donauschifffahrt boomt gewaltig, auch Linz will sich ein Stück von Kuchen abschneiden. Gibt es bereits erste Erfolge, Linz bei Donaukreuzfahrten als Port of Departure zu etablieren?
Wir sind mit einigen Reedereien wie etwa Avalonin – in engem Kontakt. Die Dichte des Verkehrs wird auf der Donau noch weiter zunehmen, eine entsprechende Differenzierung bei den Ablegestellen wird also so oder so stattfinden müssen. Künftig können schon aus Kapazitätsgründen alle Schiffe nicht mehr nur in Passau ablegen. Eine Idee ist, die Kreuzfahrten in Verbindung mit dem Flughafen Linz anzubieten, also „One way“ in Linz zu beginnen und in Bratislava oder Belgrad zu beenden. Zudem peilen wir neue Märkte an – die arabischen, russischen und chinesischen Touristen sind noch gar nicht auf der Donau unterwegs. Hier sehe ich enormes Potenzial.
Mit dem Star Inn an der Promenade (2017) und dem Motel One am Hauptplatz (2019) eröffnen bald zwei neue große Hotels in Linz. Auch am Bulgariplatz soll ein Hotel entstehen. Ihre Erwartungen für den Tourismus?
Der Standort Linz ist von der Betreiber- und Investorenseite her gefragt, das ist ein gutes Zeichen. Zusätzliche Betten erweitern unsere Möglichkeiten im Kongress- und Tagungsbereich, hier wird auch die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, aber auch der neuen Medizin-Fakultät eine Rolle spielen. Speziell im Winter brauchen wir aber noch zusätzliche Aktivitäten, um nicht nur im Sommer gut gebucht zu sein.
Wie wollen Sie das schaffen?
Linz muss sich mit eigenen Themen noch weiter stärker positionieren. So wie es beim Ars Electronica Center gelang, eine weltweit führende Rolle zu spielen, müssen wir noch andere, weitere Themen und Anknüpfungspunkte mit Alleinstellung finden.
Im klassischen touristischen Angebot gibt es noch Lücken. Bei Großveranstaltungen im Bereich Musik oder Sport ist Linz unterbesetzt.
Ich weiß nicht, ob wir im Sport – neben Einzel-Großevents wie der Ruder- oder der Karate-WM – Akzente bei Nächtigungszahlen setzen können. Bei Open Airs und Konzerten sollen wir natürlich zuschlagen und dabei sein, wenn es sich ergibt. Viel wichtiger sind mir aber internationale Formate, die wir es selber in der Hand haben – wie zum Beispiel die Weiterentwicklung des Brucknerfestes. 2024 wird Bruckner 200 Jahre, das Thema gehört bis dorthin noch stärker entwickelt. Ebenso der Bereich Media Arts – hier steckt noch viel Potenzial in Form von Festivals, Labors oder Kongressen.
Warum traut sich in Linz niemand über ein Fünfsterne-Hotel drüber? Das Haus hätte ein OÖ-weites Alleinstellungsmerkmal.
Die Entwicklung geht eher ins Gegenteil, in der Hotellerie gibt es Rückstufungen. Der Grund ist einfach: Immer mehr Geschäftsreisende dürfen aufgrund von Compliance-Regeln gar nicht mehr in Fünfsterne-Hotels absteigen. So ein Haus ist in Wirklichkeit eine Liebhaberei – wenn man da nicht einen Investor hat, dem das Gebäude gehört, ist es sehr schwierig. Da sollte man sich in Linz nichts vormachen, zudem es kein Linz-spezifisches Problem darstellt.
Bis zum Jahreswechsel ist es ja noch einige Wochen hin. Haben Sie dennoch bereits eine Bilanz für 2016?
Ja – wir erwarten ein leichtes Plus, so um die 780.000-790.000 Nächtigungen, 2015 waren es 777.292. Die 800.000er-Marke wird wohl erst geknackt werden, wenn die erwähnten neuen Hotels eröffnen.
Aufgrund der Unsicherheit und der weltweiten Krisenherde: Gab es im Linzer Tourismus eine spürbare Tendenz hin zu mehr heimischen Touristen?
Nein, eigentlich nicht. Wir liegen bei österreichischen und deutschen Gästen auf einem sehr guten Level, der sich anteilsmäßig in den letzten Jahren aber nicht verändert hat. Wir werden zukünftig aber noch stärker lokal und regional hineingehen, um Linz und das Thema „Was macht die Innenstadt aus?“ nicht nur wegen der ausgebauten PlusCity stärker zu fokussieren. Vom Flair her ist die Innenstadt einfach nicht zu schlagen – denken Sie nur an die bevorstehende Weihnachtszeit. Wir müssen in Linz keine künstliche Kultur anbieten, hier ist alles echt. Die Stadt lebt, das wollen wir herausstreichen.
Welches Thema wird der touristische Schwerpunkt 2017 sein?
Das Schwerpunktthema wird „Lebenskunst“ heißen. Das umspannt einen sehr weiten Bogen – etwa die Entdeckung der Lebensqualität in der Stadt. Es geht um breitere Dinge wie Gastronomie, Shopping, 200 Jahre Urfahranermarkt, das Feiern, die Feste, Entschleunigen, Slowfood – eben alles, was Lebensqualität ausmacht. Gleichzeitig nehmen wir einige Themen von 2009 weiter mit. Kurz: Linz bleibt auch 2017 weiter spannend!