Schock für knapp 1.000 Bewohner des Franckviertels: Im Herzen des traditionsreichen Arbeiterbezirks sollen über 400 Wohnungen durch Neubauten ersetzt werden. Hier wohnen durchwegs alte, sozialschwache und niedrig verdienende Menschen, die jetzt um ihren leistbaren Wohnraum bangen. Die Bewohner befürchten doppelt so hohe Mieten wie zuvor. GWG-Boss Nikolaus Stadler beruhigt und verspricht „ähnlich günstige Wohnungen“. Am 02. März werden die Mieter im Rahmen einer Versammlung erstmals über den laut GWG „fixen Abriss“ informiert.
35 und 50 Quadratmeter sind die meisten Wohnungen hier im Zentrum des Franckviertels groß. Die acht Wohnblöcke wurden Anfang der 1930er-Jahre errichtet, die Mieten bewegen sich zwischen 190 und 330 Euro (inkl. Betriebskosten), hier leben vor allem sozial Schwache und Ältere. Die GWG will die Bauten abreißen und ab 2019 durch größere Wohnungen zwischen 60 und 70 Quadratmeter ersetzen. Weil seit geraumer Zeit leere Wohnungen trotz großer Wohnungsnot nicht nachbesetzt werden, wurden die Mieter skeptisch und erfuhren so von den Abrissplänen auf der 31.000 Quadratmeter großen Fläche.
Bewohnern befürchten Verdoppelung der Miete
Aktuell stünden bei den erwähnten Häusern bereits über 40 Wohnungen leer. Dabei befindet sich gerade hier sehr viel günstiger, zentraler Wohnraum, den so viele Menschen dringend brauchen. Befürchtet wird, dass die neuen Wohnungen empfindlich teurer werden: Statt 330 Euro wird das Doppelte fällig, sorgen sich manche. Die Rechnung stimmt, wenn man die Mietpreise bei den Neubauten der nahegelegenen Grünen Mitte heranzieht.
„GWG hat jahrelang nichts getan“
Seitens der GWG wird ins Treffen geführt, dass eine Sanierung der Wohnblöcke unrentabel, weil viele Mängel bestehen. Alleine die Renovierung der Dächer würde drei Millionen Euro verschlingen. „No na, wenn man jahrelang nichts tut, ist es klar, dass erhöhter Sanierungsbedarf entsteht. Bei der Eisenbahnbrücke war’s genauso“, bemängelt ein Mieter das angeblich fehlende Engagement der GWG.
Am meisten bangen die Menschen hier aber um die funktionierende Gemeinschaft. Der Abriss würde die Zerstörung eines intakten sozialen Gefüges bedeuten. So gibt es hier sehr viele alte, alleinwohnende Menschen, aber auch viele Familien mit Kindern, viele Bewohner leben seit Jahrzehnten hier: „Jeder schaut auf jeden, so eine Gemeinschaft findet man in ganz Linz nirgends mehr.“ Im Falle des Abrisses würden die über 1.000 Bewohner abgesiedelt und auf andere Stadtviertel verteilt, ein weiteres anonymes Grätzel entstehen, so die Befürchtungen.
Mieter: im Unklaren gelassen?
Besonders sauer stößt den Menschen im Franckviertel auf, dass sie bis zuletzt im Unklaren gelassen wurden. „Erst als Gerüchte aufkamen, lud die GWG zu einer Informationsveranstaltung am 02. März.“ Die Mieter haben Angst, dass sie dort vor vollendete Tatsachen gestellt werden und der Abriss längst beschlossen sei: „Dabei hat Bürgermeister Klaus Luger noch vor kurzem unser Franckviertel gelobt und gesagt, dass hier nichts verändert werden darf.“
Noch drastischer die Formulierung von Stadtplaner Lorenz Potocnik: „Der Abriss einer Siedlung mit rund 1.000 Bewohnern erinnert an totalitäre Regimes wie Türkei oder China. Dieses Vorgehen bedeutet auch die Zerstörung eines gewachsenen Gefüges, von Freund- und Nachbarschaften. Diese Rabiat-Methode steht im fundamentalen Widerspruch zu einer lebendigen, schlauen und so dringend benötigten Sozialdemokratie.“ Helfen wird das wohl nicht viel, denn laut GWG ist der Abriss längst beschlossene Sache.
„Herz des Franckviertels darf nicht herausgerissen werden“
Die Forderung der Mieter ist klar: schrittweises Sanieren statt Abreißen. „Die Gemeinschaft hier darf nicht zerrissen werden. Diese acht Blöcke stellen das Herz des Franckviertels dar, es wäre mit schmucklosen Neubauten unwiederbringlich verloren. Wir werden um unser Viertel wie Löwen kämpfen.“ Die Infomationsveranstaltung der GWG steigt am 02. März um 17:30 Uhr im Volkshaus Franckviertel.
Wir haben GWG-Geschäftsführer Nikolaus Stadler zum geplanen Projekt und den Befürchtungen der Alt-Mieter befragt:
Herr Stadler, wie ist der aktuelle Stand der Planungen zum Bauprojekt Wimhölzel-Hinterland?
Am 2. März informiert die GWG die MieterInnen dieser Wohnanlage im Rahmen einer Informationsveranstaltung, damit diese die Informationen aus erster Hand haben. Geplant ist ein Wettbewerb für das Planungsgebiet, um eine städtebaulich repräsentative Lösung zu finden, die gleichzeitig den Menschen in diesem Stadtgebiet einen lebenswerten Wohn- und Lebensraum bieten soll. Mit einem Beginn der Bauarbeiten ist nicht vor 2019/2020 zu rechnen. In einem ersten Schritt werden die Wünsche der Mieter erhoben, was bedeutet, dass die Daten jener, die im Stadtteil bleiben möchten und jene, die in einen anderen Stadtteil ziehen möchten, erhoben werden. Es ist im wesentlichen nicht anders als bei anderen bereits erfolgten Projekten. Als Beispiel dazu dient auch die Ernst-Koref-Wohnanlage an der Füchselstraße/Fröbelstraße. Auch hier erfolgte eine Absiedlung des Altbestandes und eine Neubebauung mit über 170 Wohnungen. Das ist auch für die Wohnanlage Wimhölzel-Hinterland geplant.
Was sind die Eckdaten des Projekts?
Insgesamt sind es rund 440 Wohnungen. Die Wohnnutzflächen bewegen sich zwischen 30 und 45 Quadratmetern. Viele der Wohnungen verfügen zwar über ein WC, aber nicht über ein Bad in der Wohnung, in vielen Häusern sind daher die Gemeinschaftsbäder im Dachgeschoß noch in Betrieb. Die Miethöhen bewegen sich auf einem sehr günstigen Niveau.
Und was ist der genaue Grund für den Abriss der acht Wohnblöcke mitten im Franckviertel?
Die Wohngebäude lassen sich mit einem wirtschaftlich vertretbaren Aufwand nicht mehr sanieren. Alleine für die Erneuerung der Dächer wäre eine Betrag von rund 3 Millionen Euro erforderlich.
Mit welchen Kosten rechnen Sie beim Neubau – und welche Summe würde eine Sanierung verschlingen?
Die Neubaukosten können derzeit noch nicht genannt werden, dazu nüssen wir noch den Wettbewerb und die Ausschreibungen abwarten. Ziel der GWG ist aber ein sogenanntes „Low-Cost-Wohnen“, das bedeutet einfache, aber zweckmäßige „Wohnungen ohne Schnickschnack“.
Ist der Abriss bereits beschlossene Sache?
Ja.
Was wird den bisherigen Mietern, die großteils aus sozial schwächeren Schichten kommen, angeboten?
Selbstverständlich ähnlich günstige Wohnungen. Im Idealfall ziehen die Mieter vom Altbau in den danebenliegenden Neubau.
-> Info: das Franckviertel
Der Stadtteil Franckviertel südöstlich des Zentrums erhielt seinen Namen vom Kaffee-Erzeuger Karl Franck, es erstreckt sich über eineinhalb Quadratkilometer, knapp 10.000 Menschen leben hier. Ende des 19. Jahrhunderts begann man hier mit dem Bau von Unterkünften für Fabriksarbeiter, später wurden auch NS-Zwangarbeiterbaracken errichtet. Zu Beginn der Industrialisierung in Linz folgten viele Unterkünfte für Arbeiter der VOEST, der Chemie Linz und der Bundesbahn.